In den letzten Jahren erfolgte ein Boom an Schwitzhüttenritualen, selbst exklusive Wellnesseinrichtungen bieten nun die einfachen
Hütten an. Doch diese sind viel mehr als ein weiterer Trend, sondern sie sind Tradition und Heilung durch rituelles Schwitzen.
Die Erde ist unsere große Mutter. Auf der Erde sind wir geboren, sie trägt und nährt uns. Sie offenbart uns ihre Wunder und Geheimnisse und ist uns eine geduldige Lehrmeisterin. Die Schwitzhütte symbolisiert den Bauch unserer Erdenmutter. Die Schwitzhütte nimmt uns auf, hält uns warm und geborgen, schützt und umhüllt uns in der Dunkelheit und feuchten Wärme, so wie jede Mutter ihr Kind bis zur Geburt in der Geborgenheit ihres Mutterleibs schützt. Die Schwitzhüttenzeremonie ist ein weiblicher Heilungsweg. Sie bietet uns Zuflucht und Trost. Sie erinnert uns daran, dass wir jederzeit zurückkehren können in diese Geborgenheit, dass wir willkommen sind, so wie wir sind – mit unseren Bitten, Ängsten, Krankheiten und Fragen, mit unserer Traurigkeit und unserer Freude, mit unserem Mut und unserer Hilflosigkeit. Es ist die körperliche Berührung mit der Erde, die heilt und erdet. In der Gebärmutter ist es weich und warm und nicht unbequem und entsetzlich heiß. Ähnlich der natürlichen Geburt verläuft jedoch auch die Neugeburt in der Schwitzhütte nicht ohne Anstrengung und Schmerz. Doch aus dem Schoß unserer Erdenmutter kommen wir gereinigt und geheilt zurück.
Einfach Konstruktion der Schwitzhütte
Für eine Schwitzhütte wird im Grunde nicht viel mehr benötigt als ein geeigneter, geschützter Ort in der Natur, in dessen Nähe Weiden oder Haselsträucher wachsen, sowie Decken, eine Baumwollplane, Steine, Holz und Wasser zum Aufgießen. Eine Schwitzhütte kann aus 13 oder 16 Ruten im eigenen Garten errichtet werden. Für den Bau eignen sich Weidenruten oder Haselruten, es lassen sich aber auch andere biegsame Zweige verwenden, aus denen ein kuppelförmiges Gerüst errichtet wird. Die Verstrebungen werden mit Rinde oder Stoffstreifen verbunden. Zum Abdecken der Konstruktion eignen sich mehrere Lagen Baumwolldecken. Früher wurden Felle benutzt, das ist natürlich auch möglich, aber kostspieliger. In der Mitte der Hütte befindet sich eine Mulde für die glühenden Steine, die in der Glut der außerhalb gelegenen Feuerstelle erhitzt werden. Für das Feuer, das die Steine erhitzt, wird trockenes Holz verwendet, wie für jedes andere Lagerfeuer auch. Die Steine sollten Feldsteine sein, die beim Erhitzen nicht zerspringen. Nicht geeignet sind Feuersteine. Zum Aufgießen werden ein Eimer mit Wasser und zweckmäßig eine Holzkelle benutzt. Auf die glühenden Steine in der Hütte kann man eine kleine Prise Süßgras oder Salbei streuen. Die verbrannten Kräuter verbreiten einen angenehmen Duft in der Hütte und reinigen und beruhigen zudem.
Meditation in der Schwitzhütte
Die Schwitzhütte ist ein sakraler Raum, in dem es möglich ist, Körper, Geist und Seele zu heilen, sich körperlich und seelisch zu reinigen, zu stärken und geheilt aus ihr hervorzugehen. Es gibt verschiedene Schwitzhüttenzeremonien, die alle einem ähnlichen Ablauf folgen: Die Menschen in der Schwitzhütte singen, beten oder schweigen. Es wird nach jedem Gebet Wasser auf die heißen Steine gegossen, eine Trommel oder Rassel unterstützt die Gesänge und die Menschen sitzen, knien, kauern oder liegen in der Hütte. Wenn wenige Menschen in der Hütte sind, ist es auch möglich, darin ausgestreckt zu liegen. Die Hütte wird mehrmals geöffnet, um frische Luft hineinzulassen, Trinkwasser herumzureichen oder in der Pause die Hütte zu verlassen, um sich draußen abzukühlen. Neben dem Gruppenschwitzen ist es auch möglich, das Ritual allein für sich selbst durchzuführen. Eine Schwitzhüttenzeremonie alleine vorzubereiten, ist eine besondere Wertschätzung für sich selbst und sehr heilsam. Natürlich ist es eine andere Erfahrung, allein in der kleinen, dunklen Schwitzhütte zu sitzen und für sich selbst das Wasser auf die glühenden Steine zu gießen, anstatt in einem Kreis mit anderen Menschen. Ein wenig beschwerlich ist es schon, zwischendurch nach draußen zu gehen und selbst neue Steine in die Hütte zu tragen. Normalerweise übernimmt diese Aufgabe die Feuerhüterin oder der Feuerhüter. Aber der Gang nach draußen kann auch eine willkommene Abkühlung an der frischen Luft sein, unter einem leuchtenden Sternenhimmel, die glühenden Steine aus dem Feuer in die Hütte zu tragen. Es ist auch eine besondere Erfahrung, nur für sich selbst verantwortlich zu sein. Die Dauer des Schwitzrituals ist sehr unterschiedlich. Nach der Zeremonie fühlen sich aber viele Menschen, als wären sie „aus der Zeit gefallen“. Manche Schwitzgänge dauern weniger als eine Stunde, andere über vier Stunden.
Geschichte des Schwitzrituals
Einige mutige Indianer aus Nordamerika brachten Anfang der 80er-Jahre Schwitzhüttenzeremonien nach Europa, zum Teil gegen den Willen ihrer Stammesangehörigen. Die Zeremonien wurden hier meist von Männern einschließlich aller Regeln respektvoll und originalgetreu kopiert. In einigen Schwitzhütten werden hierzulande indianische Lieder in der Originalsprache gesungen, in anderen englische oder deutsche Lieder. Es ist auch möglich Mantren mit einfachen Melodien zu tönen. Schwitzzeremonien existieren seit der Entdeckung des Feuers. Sie bieten eine wunderbare Möglichkeit, sich mit der Natur zu verbinden und sich für die Heilung von Körper, Geist und Seele zu öffnen. Diese einfache Heilungsmethode wird in vielen Teilen der Erde genutzt: Ob in Europa, Asien, Afrika oder Amerika – überall auf der Welt gibt es Feuer, das Steine erhitzt, ist es Wasser, das auf heiße Steine gegossen wird, und sind es Trommeln, die das Schwitzritual begleiten. Es gibt Unterschiede im Ablauf der Zeremonien, doch es ist immer ein heiliger Platz, ein sakraler Raum, der geschaffen wird, um darin zu beten. Alle Völker der Erde suchen auf verschiedenen Wegen Kontakt mit der unsichtbaren Welt. Schwitzen, Singen und Beten sind drei Gemeinsamkeiten, die in allen Kulturen zu finden sind. Alles andere ist schmückendes Beiwerk. Rituale gelingen in einem Hamam genauso wie in einer irischen Steinschwitzhütte. Auch in einer modernen Sauna sind Heilungsrituale möglich. Eine Schwitzhüttenzeremonie ist keine esoterische Unterhaltungsveranstaltung. Voraussetzung für die Teilnahme sind Achtsamkeit, Respekt und Mitgefühl für sich und alle anderen. Ist die Motivation ein Schicksalsschlag oder eine Krankheit, so sind die Ernsthaftigkeit und der Respekt von vornherein gegeben. Wer an einer Schwitzhüttenzeremonie teilnimmt, nur um sie mal auszu- probieren, könnte enttäuscht werden, weil ohne klare Absicht, konkrete Fragen oder Bitten keine Antwort oder Veränderung eintritt.