Die spinnen, die Finnen! Weltmeisterschaft im Handy-Weitwurf, Austragungsort der jährlichen Weltmeisterschaft im Luftgitarrespielen und Veranstalter des offiziellen Sauna World Championships, einem Wettbewerb im Sauna-Langsitzen. Kein Grund zu spotten: Die Finnen waren es auch, die die Sauna in Europa und dem Rest der Welt populär gemacht haben!
In einem Land, in dem es die Weltmeisterschaft im Handy-Weitwurf gibt und das Austragungsort der jährlichen Weltmeisterschaft im Luftgitarrespielen ist, wundert es keinen, dass es dort seit 1999 auch die offiziellen Sauna World Championships gibt, einen Wettbewerb im Sauna-Langsitzen. Hitzeresistente Finnen oder solche, die es gerne wären, versammeln sich in einer 110 Grad heißen Sauna, in der alle 30 Sekunden ein halber Liter Wasser aufgegossen wird. Die höllisch heiße Luft verursacht Atembeschwerden und Verbrennungen der Haut bis hin zu Brandblasen. Der Wettbewerb ist streng reglementiert: Das Abwischen des Schweißes von der Haut mit den Händen ist verboten, die Arme sind angewinkelt auf den Oberschenkeln zu halten und durch regelmäßige Handzeichen müssen die Teilnehmer signalisieren, dass es Ihnen gut geht. Bei Missachtung dieser Regeln erfolgt die Disqualifizierung. Die offizielle Bestzeit hält, natürlich, der Finne Timo Kaukonen. Er hielt es im Jahr 2003 ganze 16 Minuten 15 Sekunden in der Sauna aus, die manche bereits nach zwei Minuten verlassen müssen.
Saunieren hat in Finnland eine jahrtausendealte Tradition. Die Sauna war im bäuerlichen Finnland Kernstück des Familien- und Hoflebens und wurde als Wirtschaftsraum, Waschraum und für die Krankenpflege in Anspruch genommen. Noch heute gibt es Finnen, die in der Sauna geboren wurden. Im 19. Jahrhundert entstand im Zuge der Urbanisierung in nahezu jeder Straße einer Stadt die öffentliche Sauna. Dort traf man sich mit Leuten seines Stadtteils, redete und schwitzte und ließ sich von einer Saunawäscherin gründlich abschrubben. Dieser Beruf ist mittlerweile beinahe ausgestorben, ausgeübt wird er nur noch in traditionellen Saunen – beispielsweise in der Saunaseura oder Kotiharjun-Sauna – oder in Hotels der Spitzenklasse.
Im modernen Leben wird die Sauna ausschließlich für das Saunieren genutzt. Dennoch ist sie weiterhin ein zentraler Bestandteil des finnischen Soziallebens und überall zu finden: Gut fünf Millionen Finnen stehen knappe zwei Millionen Saunen zur Verfügung. In finnischen Häusern gehört sie zum Standard, Schwimmbäder bieten sie einem breiten Publikum an und selbst kleinste Wohnungen oder Hotelzimmer verfügen über einen Saunaraum. Finnen legen große Kreativität an den Tag, wenn es um die Schaffung der dafür notwendigen Räumlichkeiten geht. Selbst unter widrigen Umständen muss der Saunagenuss möglich sein – deshalb findet man die Sauna als Floß-, Zelt- oder Höhlenversion sogar im Gepäck der finnischen Armee. Und auch Freizeitcamper, die in der Weite der Natur auf ihr Saunaerlebnis nicht verzichten wollen, nutzen diese mobilen Varianten.
Gewöhnungsbedürftig für uns Deutsche mag wohl auch sein, dass gemeinsame Saunabesuche von Geschäftspartnern durchaus zur Businessetikette gehören. Vor oder nach dem geschäftlichen Teil des Treffens wird entspannt, Hierarchien oder etwaige Unstimmigkeiten lösen sich in Dampf auf.
Die traditionelle Art der Sauna in Finnland ist die Savusauna, im Deutschen Rauchsauna genannt. Ein offener Holzofen ohne Schornstein heizt den Raum. Das Beheizen dauert mehrere Stunden, die Tür zur Sauna steht dabei offen und das Holz wird mehrmals nachgelegt. Der entstandene Rauch verbreitet sich in der Sauna und entweicht schließlich durch Fenster und Türen. Bis die Temperatur von 90 Grad erreicht ist, dauert es ganze sieben Stunden. Dann ist der Rauch abgezogen und das Feuer erloschen. Die weiche Wärme der Rauchsauna hält sich lange bis in den nächsten Tag hinein. Der Nachteil der Rauchsauna besteht darin, dass der Rauch die Wände und Bänke rußig macht und der Finne die Sauna oftmals in verschmutzterem Zustand verlässt als er sie betreten hat.
Typisch für die Finnische Sauna ist, dass keinerlei Duftzusätze in den Aufguss (finn.: löyly) gegeben werden wie in unseren Breiten üblich. Höchstens schüttet man einen Schluck Bier in das Wasser, was einen angenehmen Brotgeruch verbreitet, dies wird jedoch eher selten praktiziert. Auch die Textilsauna gibt es nicht, in Finnland geht man unbekleidet in die Sauna. Dafür ist das gemischte Saunen nicht üblich, es sei denn, man befindet sich im Kreise der Familie.
Wasser wird viel verwendet und in hölzernen Eimern bereitgehalten. Das Wasser wird nicht nur zur Dampferzeugung benutzt, sondern auch, um sich zwischendurch damit abzukühlen. Das Ambiente in der Finnischen Sauna ist schlicht gehalten, Lichteffekte gibt es nicht. Früher bestand die finnische Sauna aus Kelo, einer mumifizierten und abgestorbenen arktischen Kiefer. Der Vorteil war, dass dieses Holz nicht länger arbeitete. Kelo ist in Finnland eher selten geworden, sodass die Sitzbänke heute vorwiegend aus Espenholz (finn.: haapa) gefertigt werden. Espe ist angenehm im Hautkontakt und hält das wiederholte Feuchtwerden und Trocknen besser aus als andere Holzarten.
Ein Nonplusultra der Finnischen Sauna stellen die Birkenzweigbüschel (finn.: vasta oder vihta) dar. Die Zweige junger Birken werden als blättriges Büschel zur Vorbereitung in Wasser getaucht und dann direkt im Dampf über dem Ofen geschüttelt. Anschließend klopft man sich damit auf die Haut. Dies regt die Durchblutung an. Der Duft der Birkenblätter und das genussvolle Schmerzempfinden bieten ein außerordentliches Saunaerlebnis. Zur Abkühlung springt der mutige Finne in das kalte Wasser eines der 187.888 Seen Finnlands, wofür gerne mal ein Eisloch gebohrt wird, oder er reibt sich mit Schnee ab. Das natürliche Saunagetränk der Finnen früher war Kaffee. Heute ist es üblich, nach der Sauna Bier zu trinken. Ein finnisches Sprichwort, das die enorme Bedeutung der Sauna für Finnland verdeutlicht, lautet: „If a sick person is not cured by tar, booze or sauna, then death is close.“
Ihren Siegeszug in die Welt trat die Finnische Sauna bei den olympischen Spielen in Paris 1924 an. Der finnische Läufer Paavo Nurmi wurde sowohl im 1500- Meterlauf als auch über die Distanz von 5000 Meter Olympiasieger, und das innerhalb einer Stunde. Erst 80 Jahre später gelingt dem Marokkaner Hicham El Guerrouj 2004 in Athen ebenfalls ein Doppelsieg über die beiden Mittelstrecken – allerdings in einem Abstand von fünf Tagen. Auch die Goldmedaille über 10.000 Meter konnte Nurmi sich holen. Trotz heißer 35 Grad im Schatten lief er eine Topzeit. Der Legende nach soll der wortkarge Nurmi, nach dem Geheimnis seines Erfolges befragt, das Wort „Sauna“ gemurmelt haben. Daraufhin munkelte man, dass Saunieren die sportliche Leistungsfähigkeit steigere. Tatsächlich werden durch das Schwitzen Stoffwechselprodukte entfernt: Milchsäure in der Muskulatur wird abgebaut, der Körper kann sich schneller regenerieren. Zehn Jahre später ließ Nurmis Landsmann Veli Saarinen, der 1932 bei den Winterspielen in Lake Placid die Goldmedaille im 50-Kilometer-Skilanglauf gewonnen hatte, für die Skisportler in Garmisch-Partenkirchen eine Sauna bauen. Wieder zwei Jahre später, bei den Sommerspielen in Berlin, wurde auf Wunsch der finnischen Sportdelegation eine Sauna für die Sportler im Olympischen Dorf errichtet. Über dieses stämmige Blockhaus, am Rande eines kleinen Sees gelegen, berichteten zahlreiche deutsche Zeitungen und die Finnische Sauna erlangte ihre Berühmtheit. Der Begriff Sauna ist mittlerweile in den Wortschatz zahlreicher Sprachen eingegangen und überall auf der Welt verbindet man damit Wärme, Wohlbefinden und Entspannung. Der physischen Sauberkeit dient die Sauna heute nicht mehr, aber sie verhilft dazu, den Stress des Alltags zu vergessen. So lautet ein finnisches Sprichwort: „In der Sauna verraucht der Zorn.“