Wer glaubt, das Prinzip der Sauna sei alleine auf die Erfindung der Finnen zurückzuführen, der irrt sich. Denn in allen Winkeln der Welt haben sich unterschiedlichste Schwitzkulturen entwickelt. Obwohl sie sich hinsichtlich Temperatur, Luftfeuchtigkeit und zeremonieller Ausführung teilweise stark unterscheiden, streben sie doch alle ein gemeinsames Ziel an: die absolute Entspannung.
Die Sauna ist ein fester Bestandteil des Lebens in Finnland. Und auch über die Landesgrenzen hinaus genießt die Finnische Sauna einen überragenden Ruf. Da wundert es nicht, dass der „Raum aus Holz“ als größtes Exportprodukt für die Skandinavier weitaus mehr ist als nur eine Methode der Entspannung. Die Sauna ist „the way to live“ – eine Lebenseinstellung. Kein Ausdruck aus dem Finnischen konnte sich bis dato derart stark in den Wortschatz etlicher anderer Sprachen integrieren wie das Wort „Sauna“. Deshalb möchte man das nördliche Volk auch gleich als die Entdecker des heilenden Schwitzens benennen, doch ein einzelnes Land kann sich dessen nicht rühmen – vielmehr wird und wurde schon seit Jahrtausenden auf der ganzen Welt geschwitzt. Einige Variationen haben sich nicht bis heute durchsetzen können, andere erleben in unserer wellnessbegeisterten und erlebnishungrigen Zeit eine Renaissance und wieder andere sind seit Generationen beständiger Marktführer im eigenen Land oder – wie die Sauna – weltweit.
_____________________________________________________________________________
Im Vordergrund stand bei der Entstehung verschiedener Schwitztraditionen das menschliche Bedürfnis nach Reinigung des Körpers und Entspannung des Geistes. Ein eigenes Badezimmer ist im Gegensatz zu heutigen Standards lange Zeit undenkbar gewesen. Abhängig von Klima, Kultur, Religion und weiteren individuellen Eigenheiten des jeweiligen Landes variieren die Vorlieben der Menschen. So entwickelten sich rund um den Globus etwa zeitgleich verschiedene Schwitzriten und -formen. Die berühmteste ist die Finnische Sauna, die ihren Ursprung aller Wahrscheinlichkeit nach in Ostasien hat. Dort fanden Wissenschaftler die ältesten Relikte eines Steinschwitzbads. Diese Luftsaunen waren Erdhöhlen, in denen erhitzte Steine mit Wasser übergossen wurden,
sodass heilender Wasserdampf entstand. Bis heute bleibt die traditionelle Finnische Sauna dem uralten Prinzip treu. Über die Beringstraße, der Meerenge zwischen Russland und den Vereinigten Staaten, verbreitet sich das entspannende Baderitual – zweieinhalbtausend Jahre alte schriftliche Zeugnisse belegen den Weg – weiter von Nordamerika nach Mittel- und Südamerika sowie über Mittelasien bis hin zum Ural. Von dort tritt das Schwitzbad seinen Siegeszug bis zum Mittelmeerraum an und erreicht eine vorläufige Blütezeit unter den Griechen und Osmanen. Diese sind wahre Künstler darin, aus dem einfachen Steinschwitzbad ein Transpirationserlebnis zu zelebrieren – mit den antiken Thermenanlagen sind somit damals die ersten Wellnesstempel geboren.
Das Onsen in Japan
Den Anfang macht die Schwitzkultur im asiatischen Raum. Hier formiert sich eine für westliche Maßstäbe ungewöhn-liche Art der Entspannung: das Onsen in Japan. Neben Felsen beziehungsweise Steinschwitzbädern geben die Japaner heute dem Onsen, einem Heißwasserbad, den Vorzug. Die geologischen Eigenschaften der Inseln vulkanischen Ursprungs schaffen hierfür ideale Voraussetzungen. Fast 2.500 Kubikmeter mineralisches Wasser sprudeln pro Minute aus über 25.000 Quellen, die sich über das ganze Land erstrecken. Sie bieten den Badenden neben der wohligen Wirkung des Wassers oft atemberaubende Ausblicke in die Landschaft Japans. Einige Quellen sind so heiß, dass sie als „Jigoku“, zu Deutsch Hölle, bezeichnet werden. Ist die Wassertemperatur unter 40 Grad, so steigt kaum jemand in die Becken, die sich im Freien befinden. Als ungeübter Europäer sollte man nicht allzu lange in den heißen Becken verweilen und auch lieber vorher die Wassertemperatur testen. Meist stehen drei unterschiedlich temperierte Becken zur Verfügung. Falls man dann doch Temperatur und Dauer unterschätzt haben sollte, haben die Japaner mit „yu-atari“ auch ein passendes Wort für das Schwindelgefühl nach dem Bad parat. Ähnlich wie in Deutschland das vor einem Ortsnamen vorgestellte „Bad“ auf einen Kurort hinweist, verhält es sich im Land des Lächelns mit einem nachstehenden „Onsen“.
Im 19. Jahrhundert sind private Badezimmer in Japan aus Brandschutzgründen verboten gewesen. Aus dieser Not heraus haben sich neben den zuvor beschriebenen Onsen sogenannte Sentos entwickelt. Im Vergleich zu den Onsen werden die Becken der Sentos, die eher einem öffentlichen Schwimmbad gleichen, nicht mit Wasser vulkanischen Ursprungs, sondern mit bis zu 56 Grad aufgeheiztem Trinkwasser befüllt. In beiden Badeanlagen müssen spezielle Verhaltensregeln eingehalten werden: Nach dem Betreten sollten bereits im Eingangsbereich die Schuhe ausgezogen werden. Nun entkleidet man sich und nimmt auf einem kleinen Hocker Platz. Anschließend sollte jeder Badegast sich im Sitzen gründlich mit Seife und Shampoo reinigen und den Körper anschließend mit Wasser übergießen. Denn Schaum darf weder ins Onsen- beziehungsweise Sentowasser gelangen. Wer sich nicht an diese Regel hält, riskiert einen Verweis aus dem Bad. Zusätzlich dazu lässt der Sentobetreiber das Wasser aus dem Becken, um es zu säubern. Auch ein kleines Handtuch ist Teil der Grundausrüstung. Es dient dazu, den Schweiß von der Stirn zu wischen – auch das Handtuch darf nicht ins Badewasser gelangen. Auch wenn diese Regeln strikt eingehalten werden sollten, herrscht in den japanischen Badeanlagen eine lockere Atmosphäre. Anders als in der sonst streng hierarchischen Gesellschaft Japans sind Klassenunterschiede hier aufgehoben, sodass ein einfacher Feldarbeiter neben einem Firmenboss schwitzen kann. Auch nachbarschaftliche Kontakte werden gepflegt, was eine wohltuende Abwechslung zum stressigen Alltag darstellt. Weitere Regeln und Verbote betreffen die in Japan fast überall geltende Geschlechtertrennung und das Onsen- beziehungsweise Sentoverbot für tätowierte Menschen. Während Tattoos in Europa überwiegend akzeptiert sind, wird der Träger in Japan mit kriminellen Gruppen in Verbindung gebracht.
Das arabische Hamam
Hunderte Kilometer westlich in der Türkei, aber auch in anderen arabischen Ländern, findet man eine weitere Form der Entspannung: das Hamam. Es hat sich aus der griechisch-römischen Badekultur mit ihren Thermen entwickelt. In beeindruckender Architektur wie aus Tausendundeiner Nacht erlebt der Badende ein intensives Entspannungszeremoniell: Eingehüllt in ein kariertes Baumwolltuch, das Pestemal, betritt der Badegast zunächst einen warmen Raum mit hoher, meist verzierter Deckenkuppel, der nach dem eigentlichen Hamam-Bad als Ruheraum genutzt wird. Doch als Erstes geht es ins Dampfbad, dessen Zentrum der Nabelstein, ein großes Steinpodest, bildet. An den Wänden des Raumes befinden sich Waschbecken und bereitgestellte Kupferschalen für das Übergießen mit warmem Wasser. Nach der rituellen Waschung macht man es sich auf dem Nabelstein, auf dem mehrere Personen Platz finden, bequem und schwitzt bei 50 Grad und 65 Prozent Luftfeuchtigkeit. Von allen landestypischen Schwitzbädern ist das Hamam die Schönheitskur schlechthin: Nach dem porenöffnenden Dampfbad beginnt der Bademeister, genannt Tellak, seine eigentliche Arbeit, eine Prozedur aus Massagen und Peeling – dabei gilt die Devise hart, aber herzlich. Mit einem Ziegenhaar- oder Seidenhandschuh, dem Kese, wird der Körper abgeschrubbt, sodass abgestorbene Hautschüppchen entfernt und das Bindegewebe gut durchblutet wird. Bei der Seifenschaummassage rückt der Tellak jeden noch so kleinen Knochen und jedes Gelenk an den rechten Platz – da kann es schon mal knacken und knirschen. Dabei taucht der Bademeister einen kleinen Leinensack in eine Lauge aus Kernseife, pustet hinein, um ihn aufzublasen und drückt ihn zusammen, bis große Schaum-flocken auf den Körper des Gastes niedersinken, der dann während dieser Prozedur unter einem wahren Berg aus Schaum verschwindet. Etwa zwanzig Minuten dauert diese Behandlung. Das Ergebnis: Entspannung pur und eine deutlich reinere, schönere Haut.
Ähnlich wie in der japanischen Schwitzkultur war das Fehlen von privaten Badezimmern Hauptgrund für die Entstehung und Verbreitung der landestypischen Hamams in der Türkei. Es ist keine Seltenheit gewesen, wenn Männer sich hier rasiert haben und Frauen sich das Haar färbten. Im Mittelalter fanden auch die Kreuzritter am muslimischen Reinigungsritual Gefallen und brachten es in Form der Badestube nach Mitteleuropa. Obwohl von Anfang an vom Klerus als unmoralisch verpönt, führt erst die Pest zum Niedergang der Badestuben. Damals herrschte der Irrglaube, dass Krankheiten ihren Weg in den Körper über das Wasser finden. Mittlerweile genießt man aber auch in Mitteleuropa den Service und das Ambiente des orientalischen Schwitzbads. Viele Saunaanlagen und Spabereiche der Hotels verfügen inzwischen über einen eigenen Hamam.
Sauna auf russisch: das Banja
Den nächsten Verwandten der Sauna findet man nur ein paar hundert Kilometer nördlich. In Rußland, erfreut sich die Banja großer kultureller Beliebtheit. Es scheint, als fordere die sibirische Kälte noch mehr schweißtreibenden Einsatz als die skandinavische: Zwar ähneln sich die Raumtemperaturen in Banja und Sauna – oft begnügt sich das russische Pendant sogar mit weniger Hitze –, doch die steten Aufgüsse mit großen Wassermengen machen die Banjahütte zum Dampfkessel. Anders als die Sauna, die neben dem traditionellen Urtyp vor allem Varianten mit großen Zugeständnissen an den modernen Komfort bietet, ist die Banja der Inbegriff des rustikalen Schwitzgenusses. Sowohl die Sauna wie auch die Banja sind aus Holz gebaut. Einige Modelle der Banja haben jedoch ein zusätzliches oberes Stockwerk. Im Idealfall besteht die russische Schwitzhütte, in der Männer und Frauen getrennt voneinander schwitzen, insgesamt aus drei Räumen: dem Schwitzraum, einem Waschraum und einem Erholungsraum. Diese beiden allerdings werden oftmals zusammengelegt. Genau wie in der Sauna wäscht sich der Gast vor dem Schwitzgang, das Wasser läuft dann zwischen Spalten im Dielenboden des Waschraums ab. In der authentischen Banja steht das kalte Wasser in Kübeln bereit und kann nach Bedarf mit heißem Wasser, das aus einem vom Banjaofen betriebenen Kessel gezapft wird, erwärmt werden. Außerdem befinden sich für den Aufenthalt zwischen den Badegängen ein einfacher Tisch und Stühle. Denn in den Pausen gibt es einen Imbiss und mit Tee oder Bier wird „nachgespült“. An dieser russischen Tradition sollte man sich aber weniger ein Beispiel nehmen: Wenn Bier, dann bitte nach dem Schwitzen. Apropos Alkohol: Natürlich darf das russische Nationalgetränk Wodka nicht fehlen. Mit Wasser vermischt wird er gern als Aufgusszusatz verwendet. Oft findet aber das eine oder andere Schlückchen nicht den Weg in den Aufgusskübel, sondern direkt in den Magen des Banjabesuchers. Das Quästen, das Abschlagen mit einer im Aufgusswasser aufgeweichten getrockneten Birkenrute, findet auch im Banja seine Anwendung. Während die Birkenrute in Finnland Vitha beziehungsweise Vasta genannt wird, heißt sie in Russland Wenik.
Die Finnische Sauna
Die traditionelle Finnische Sauna, die wir doch so gut zu kennen glauben, wird im Heimatland etwas anders als hierzulande. Beispielsweise schwitzen Frauen und Männer in Finnland meist getrennt. Und auch der in Mitteleuropa so beliebte Duftzusatz für den Aufguss, der von Fichtennadel bis Grapefruit variiert, findet in Finnland keinen Absatz. Generell unterscheidet sich die Finnische Sauna von der eingedeutschten Version in ihrem lockereren Verlauf der Badegänge: Denn während in deutschen Saunen schon am Eingang Schilder auf das Regelwerk des Transpirieren auf die Minute genau hinweisen, schwitzt man in Finnland frei nach Gusto. Hier war die Sauna einst Wasch- und Wirtschaftsraum, Kernstück des Familienlebens und wurde als sterilster Raum des finnischen Haushalts auch als Behandlungszimmer für Kranke und als „Kreissaal“ genutzt. Noch heute gibt es Finnen, die in der Sauna geboren wurden. Wie sehr die Finnen ihre Sauna lieben, kann man nicht zuletzt daran erkennen, dass sie eine Sauna-WM austragen oder um jeden Preis und selbst trotz widrigster Umstände nicht aufs Schwitzen verzichten möchten. Im Gepäck der finnischen Armee gehört darüber hinaus eine Zeltversion der Sauna zur verpflichtenden Grundausstattung.
Südamerikanische Schwitzhütten
Jenseits des großen Teichs, in Nord-, Mittel- und Südamerika, haben sich Badevarianten entwickelt, die einerseits große Ähnlichkeiten, andererseits aber auch große Unterschiede zur klassischen Finnischen Sauna aufweisen. Die Rede ist von Temazcal und Inipi. Dabei handelt es sich um einfache Schwitzhütten, die zwar auch mittels übergossener heißer Steine erwärmt werden, jedoch steht hier ein religiöser, spiritueller oder gesundheitlicher Aspekt hinter dem Schwitzen. Die beiden Varianten unterscheiden sich vor allem in ihrem Aufbau: Das aztekische Temazcal (von Temas = Bad und Calli = Haus) ist früher aus luftgetrockneten Lehm- und später aus gebrannten Ziegeln errichtet worden. Die bereits erwähnten Steine werden in einer angebauten Feuerkammer erhitzt. Das Inipi der nordamerikanischen Lakota-Indianer wiederum besteht lediglich aus einer Konstruktion von Weiden- oder Haselruten, die mit Stoffen abgedeckt wird. Die Feuerstelle befindet sich hier außerhalb der Hütte und wird von einer speziell damit beauftragten Person bewacht. Diese Person trägt zudem die heißen Steine in die Hütte und reicht zwischen den Schwitzgängen frisches Wasser. Sowohl Temazcal als auch das Inipi sind kuppelförmig aufgebaut und symbolisieren in ihrer Form den Bauch einer schwangeren Frau beziehungsweise Mutter Erde. Trommeln und Rasseln gehören genauso zum Ritual der Teilnehmer wie das Räuchern verschiedener Kräuter im Inneren des Schwitzraums. Aber während im Inipi vor allem die Meditation im Vordergrund steht, hat das Temazcal die Funktion, die körper-liche und seelische Gesundheit zu stärken. In diesem Zusammenhang wird es meist auf bis zu 80 Grad temperiert. Die Luftfeuchtigkeit ist dementsprechend gering. Je nach Diagnose der weiblichen Temazcaleras können Dauer, Temperatur und Luftfeuchtigkeit für den Gast variieren. Den Körperregionen, die aufgrund dieser Diagnose besonders erhitzt werden müssen, fächern die Temazcaleras heiße Luft zu. Auch in Europa lässt sich ein Trend nach Spiritualität erkennen. Dieser macht sich auch bei Schwitzzeremonien bemerkbar, sodass beispielsweise die Schwitzhütte Inipi dank ihrer einfachen Konstruktion immer mehr Anklang findet. Um eine solche Schwitzhütte traditionell leiten zu können, muss ein Schamane in die dahinterstehende Kunst und Religion eingeweihen.
Auch wenn rund um den Globus verschiedenste Schwitzrituale entstanden sind, so tief in den Alltag verwurzelt wie die Sauna in Finnland ist sie wohl nirgendwo sonst. Doch egal, ob die jeweiligen Traditionen vom Klima geprägt sind, wie etwa Sauna und Banja, von der Geologie wie das Onsen, von Religion und Spiritualität wie Temazcal und Inipi oder vom Bedürfnis nach Reinigung wie vor allem das Hamam – eines ist allen gemeinsam: die Reinigung und Stärkung von Körper wie auch Geist und absolute Tiefenentspannung.